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„Lesen mit Speed“ oder Lese-Kompetenz 4.0 – benötigen die ContactCenter etwa Lese-Nachhilfe?

2. November 2015 - 12:18
Gerald Fründt-Geers

Autor:   Gerald Fründt-Geers M.A. – Trainer für Lese-Kompetenz & innovative Grammatik / Linguist

Das Verstehen eines Satzes der Sprache ist dem Verstehen eines Themas in der Musik viel verwandter, als man etwa glaubt … Warum sollen sich Stärke und Tempo gerade in dieser Linie bewegen?
Wittgenstein

Überraschung, Aufmerksamkeit ist die Währung der modernen Gesellschaft. Aufmerksamkeit bedeutet nicht nur Hinschauen, sondern auch: Lesen und Verstehen.

Allerdings sind nach einer OECD-Studie in Deutschland nur 0,5% der Lesenden in der Lage

  • die Glaubwürdigkeit von Texten zu bewerten,
  • die Schlüsselinformationen auszuwählen,
  • komplexe inhaltliche Beziehungen herzustellen und/oder spezialisiertes Vorwissen anzuwenden.

Eine fundierte Analyse über den Stand der Lese-Kompetenz im Service, im Support oder im ContactCenter existiert meines Wissens nicht – Irrtum sei zugestanden.

Stattdessen, als Lösung für ein noch nicht identifiziertes Problem, Technologie, automatisierte Texterkennung, künstliche Intelligenz liest die Inhalte und so weiter. Außerdem wie vom Markt gewohnt – Seminare zum Schnelllesen, Seminare zur Steigerung der Lese-Effizienz. Und wenn das keine Früchte bringt, irgendwie aussitzen.

 

Eine gewisse Form des Aussitzens zeigt sich auch in der seit 6 Jahren von privat initiierten Recherche „Vorbildliche Service-Antwort“; wenn man so will, eine Fall-Analyse zum Stand der Lese-Kompetenz im ContactCenter und Support.

Welche Note geben Sie für die folgenden Kriterien der jeweiligen Antwort der Marke / des Dienstleisters:

  1. Eingehen auf Fragen des Kunden - [Lese-Kompetenz = Erkennen aller Fragen des Kunden und diese begreifen]
  2. Allgemeinverständlichkeit
  3. Individuelles Eingehen auf den Kunden - [Lese-Kompetenz = Erkennen und Verstehen der individuellen Situation]
  4. Ernstnehmen des Kunden - [Lese-Kompetenz = Erkennen und Verstehen, wie diesem Kunden vermittelt werden kann, dass er ernstgenommen wird]
  5. Charme, Freundlichkeit der Antwort - [Lese-Kompetenz = Verstanden haben, was in dieser Situation als Freundlichkeit gewertet werden könnte, denn Freundlichkeit ist ein Sympathieträger.]

Das Urteil in den vergangenen 5 Jahren der Jury:

Lese- / Antwortkompetenz im Urteil der Jury

 

Irgendetwas läuft da schief, und das seit Jahren.

Erfahrungs-Welt des Kunden inkompatibel zu Erwartungs-Welt Marke / Dienstleister

Nach dem Kauf einer teuren Digital-Kamera, wer liest da als erstes die komplette Bedienungsanleitung? Wer klickt sich als erstes durch die Foren, wer schaut sich Tipps & Tricks an, wer wirft einen Blick in die Sozialen Medien, als erstes nach dem Kauf.

Kaum jemand. In der Regel ist das persönliche Zeit-Budget knapp. Deswegen, wo ist der Einschalter und dann probieren. 

Wenn etwas nicht so läuft, wie erwartet, dann greifen wir zu der Bedienungsanleitung. Vielleicht, wenn sie noch zu finden ist. Dann gehen wir vielleicht in das Internet, vorausgesetzt wir wissen, wo wir suchen sollen und ob das dann eventuell Gefundene vertrauenswürdig ist.

Bei dem geringsten Zweifel, dann schreiben wir eine E-Mail, etwa wie die nachfolgende:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ist ein Waschgang meiner eigentlich wunderbar waschenden Miele-Waschmaschine abgeschlossen, blinkt ein Hinweis „Hygiene“. Ist die Wäsche etwa nicht hygienisch rein, muss ich da noch einen Gang zuschalten, hat die Maschine gemerkt, dass das Wasser verunreinigt ist. Keine Ahnung, keine Information, Bedienanleitung habe ich irgendwo, FAQs sind mir zu blöd, für das Suchen habe ich keine Zeit, bitte deswegen um kurze Auskunft.

Danke

G. Fründt

Quelle: Recherche 2015 – Vorbildliche Service-Antwort

 

Mal angenommen, diese echte Kundenanfrage (ich selbst hatte dieses „Hygiene-Problem“) wäre nicht durch einen Scanner gelaufen, sondern gleich gelesen worden, und zwar pronto pronto. Welche Konsequenzen hätte das?

Schnelligkeit beim Lesen ist möglich, aber bedeutungs-los

Was in der klassischen Linguistik, aus der sich die Computerlinguistik entwickelt hat, theoretisch schon länger vorgedacht war, dass die Bekanntheit,  Vertrautheit sowie die Erfahrung mit Worten korreliert mit der Geschwindigkeit des Lesens, wird jüngst durch die Neurowissenschaften mit Daten bestätigt.

So „lesen“ durchschnittliche Schüler der dritten Grundschulklasse oder im Lesen ungeübte Erwachsene etwa 100 Wörter pro Minute. Ist der Text bekannter oder vertrauter (!), kommen geübte Leser auf eine Lesegeschwindigkeit von 150 bis 250 Wörter pro Minute (vgl. Gerhard Roth, Bildung braucht Persönlichkeit; S. 224).

An anderer Stelle wird allerdings darauf hingewiesen, dass sich bei zunehmender Bekanntheit und Vertrautheit Routine einstellt, die dazu führt, dass die Bedeutung, die Aussagen, die Inhalte nur noch überflogen werden, aber nicht mehr inhaltlich erfasst werden (vgl. G. Roth S. 211).

Wenn denn mal über das Lesen im ContactCenter diskutiert wird, fehlt oft eine genaue Bestimmung, was unter „Lese-Zeit“ verstanden wird.

In meiner Arbeit ist die „Lese-Zeit“ die Zeit, die eine Mitarbeiterin / ein Mitarbeiter braucht, um in den „Antwort-Modus“ wechseln zu können. In eine Formel gebracht: Netto-Lesezeit +/- [x]

„Netto-Lesezeit“ plus / minus [x] - Beispiele

 

Verlängert Lesezeit [+x]

Verkürzt Lesezeit [-x]

Kunden schreiben

a) ihre persönliche Sicht auf die Probleme und folgen

b) ihrer persönlichen Systematik

  1. Unbekannte Sicht
  2. Unklare Systematik
  1. Vertraute Sicht
  2. Nachvollziehbare Systematik

Kunden schreiben genau so viel, wie sie glauben, schreiben zu müssen.

  1. Langer Text, überwiegend mehrteilige Sätze
  1. Kurzer Text, wenig mehrteilige Sätze

Die Welt der Produkte und Dienstleistungen wird zunehmend komplexer.

  1. Komplexität aufwendig aufzulösen / zu erklären
  1. Komplexität kann reduziert / vereinfacht werden

Wahrgenommene Unübersichtlichkeit, wer sich an ein ContactCenter wendet, kann für einen Moment die Übersicht verloren haben.

  1. Unübersichtlichkeit schwer nachzuvollziehen
  1. Unübersichtlichkeit gut nachzuvollziehen

 

Die Lese-Aufgabe im ContactCenter und im Support besteht eben nicht darin, den Text wiederzugeben. Das ist Schule und Ausbildung, das ist Ziel der Schnell-Lese-Konzepte.

Die Lese-Aufgabe im Support ist vielmehr: einen Einstieg in die Antwort zu finden und diese gedanklich vorzubereiten.

Lesen: die Bedeutung von Worten erschließen ….

Ein ungeübter Leser wird für die Kundenanfrage „Hygiene“ möglicherweise eine Netto-Lesezeit von 41,4 Sekunden benötigen. Ein geübter Leser zwischen 27,6 Sekunden und 16,6 Sekunden.

Die Lese-Zeiten verlängern sich, einmal abgesehen von den genannten Gründen, grundsätzlich immer dann, wenn die Wortbedeutung nicht sofort erschlossen werden kann oder schwer zu erschließen ist.

Wer etwas erschließen (= auffinden und nutzbar machen / Duden)  will, der ist auf der Suche nach etwas, hier auf der Suche nach Bedeutung, nach Sinn.

Bedingung für Lesen im ContactCenter ist deswegen die Motivation, etwas verstehen zu wollen.

Sind die Mitarbeiter motiviert, Bedeutung zu erschließen, an einem Verstehen kognitiv zu arbeiten? Wie stark ist die Motivation, wie andauernd, wie nachhaltig? Und wie wird sie aufgefrischt, schwächelt sie?

Was hätte man „lesen“ können in der oben zitierten Anfrage?

 

Das hätte verstanden werden können …

Das steht im Text …

Lob

[wunderbar waschende Waschmaschine]

Bezeugte Beobachtung

[blinkender Hinweis „Hygiene“]

Unsicherheit / Sorge / Bedenken

[nicht hygienisch rein]

Text-Verfügbarkeit

[Bedienanleitung … irgendwo]

Fehlendes Nutzenverständnis

[FAQ keine Lust]

Knappe Ressource Zeit

[Suchen keine Zeit]

Konzentration wichtig

[kurze Antwort]

 

Als Vorgriff: Wenn ich es richtig sehe, konzentriert sich die Antwort auf die „bezeugte Beobachtung“, und übersieht die anderen angesprochenen Inhalte. Das ist natürlich bei dem „Lob“ irgendwie bedauerlich. 

 

Lesen und Grammatik

Mark Twain hat mit Tom Sawyer und dessen Verkaufsmasche „Zaun streichen“ einen echten Marketing-Hit gelandet. Den Stempel eines „No-Goes“ hat er jedoch der deutschen Grammatik aufgedrückt. Vom Markt hatte er Ahnung, was für das Lesen im menschlichen Gehirn vorbereitet ist und was beim Lesen davon wann und in welcher Weise genutzt wird, da hatte er keine Ahnung.

Grammatik hat einen weitaus größeren Einfluss auf den Lese-Erfolg, als möglicherweise vermutet wird. So hält unser Gehirn ca. 120 grammatische Relationen (!) für den Lese-Prozess bereit (vgl. G. Roth, S 219).

In einem einzigen Lese-Schritt im Millisekunden Bereich wird gleichzeitig  mit drei Ressourcen gearbeitet:

  • Schriftbild (z.B. Fettschrift, Schreibfehler, Unterstreichungen …)
  • Grammatik (z.B. Zeiten, Satzstellung, Haupt-Satz / Nebensatz)
  • Bedeutung A – Funktionswörter wie Konjunktionen, Präpositionen / Bedeutung B – Inhaltswörter

Ein gigantisches Netzwerk ist schon bei einem einzigen Lese-Schritt aktiv. Alles ist irgendwie und mehr oder weniger intensiv mit einander verknüpft. Ja, das Gehirn ist der Prototyp des Internets, und nicht umgekehrt.

Der „Algorithmus“, welcher all das steuert, besteht stark vereinfacht aus zwei, interagierenden Prozessen: was bietet der Text an (bottom-up), was gibt der Lesende an Erwartungen, Erfahrungen, Routinen hinein (top-down).

Ungenauigkeiten im ersten Satz werden im zweiten Satz mittels dieses „Algorithmus“ aufgelöst, oder aus dem Arbeitsspeicher gelöscht. Was jedoch jeweils eine Ungenauigkeit ist, gehört nicht zum „Bottom-Up“, sondern zum „Top-Down“.

Wer also an der Lese-Kompetenz arbeiten will, muss sich um das „Top-Down“ kümmern, und gleichzeitig die Grammatik als Werkzeugkasten für das Textverstehen einführen. 

Empfehlung: Geben Sie der Erwartung und der Erfahrung eine Struktur

Die herrschende Meinung ist die: Habe ich ein Problem mit meiner Waschmaschine, telefoniere ich. Dieses wird so häufig genannt, es muss also wahr sein.

Eine Spontan-Umfrage während der CeBIT ergibt – zwar für die B2B-Support - ein bemerkenswert anderes Bild: Bei 54% der ca. 50 befragten IT-Unternehmen überwiegt der schriftliche Support.

Schriftlichkeit wird beispielsweise bevorzugt,

  • wenn die Themen spezifischer werden
  • je weitreichender (technisch, organisatorisch, wirtschaftlich) die Fragen sind
  • weil ein anderer Bereich (z.B. Technik) inhaltlich auf dem Laufenden bleiben muss
  • wenn es eskaliert (z.B. Beschwerden)
  • Kunden sind unsicher, möchten sich keine Blöße geben, möchten keine unangenehmen Rückfragen riskieren 
  • um für die Problemlösung Zeit zu gewinnen
  • um autorisierte Kunden zu filtern; anrufen kann jeder.

Jede genannte Situation setzt andere inhaltliche Prioritäten. Werden die Themen spezifischer, müssen in jeder „Zuschrift“ von dem ContactCenter die Spezifikationen erkannt und bewertet werden, man könnte auch sagen, die Spezifikationen müssen „herausgelesen“ werden.

Sind die Kunden unsicher, muss in jeder Zuschrift mit dieser Unsicherheit beim Erkennen und Bewerten der Inhalte und Aussagen kalkuliert werden.

Bei dem Argument „Zeit für den Support zu gewinnen“ muss in jeder Zuschrift genau der Inhalt herausgelesen werden, der sich für eine nachvollziehbare Begründung eignet, die in einem Zwischenbescheid an den Kunden geht.

Eine Lese-Kompetenz 4.0, also unter systematischer Integration vor allem der Grammatik, schafft die hierfür benötigte Flexibilität. Vorbereitet und nachhaltig „trainiert“ wird die Lese-Kompetenz durch einen Lese-Leitfaden, den ich erstmals in einer DIHK-Broschüre vorgestellt habe.

Inzwischen fordere ich, dass ein solcher Lese-Leitfaden von dem ContactCenter, dem Support selbst entwickelt und formuliert wird. Die oben aufgeführten Motive / Gründe sind die perfekte Folie.

Der Neben-Effekt eines Lese-Leitfadens: Es werden die Erfahrungen und Erwartungen strukturiert, beides ist Motivation, für ein aufmerksames Lesen und Verstehen. Und dieses Lesen und Verstehen geht genau so weit, bis risikolos in den „Antwort-Modus“ gewechselt werden kann.

Die Seite wechseln: Top-Down-Prozess in Aktion – die Antwort „lesen“

Um Ihnen zu zeigen, was ein  Empfänger der Antwort aus dieser alles herauslesen könnte, eine nicht vollständige Analyse des Schriftbildes, der Grammatik und der Bedeutung sowohl der Inhaltswörter als auch der Funktionswörter. 

 

Die Original-Antwort:

Die Antwort.- Kundenanfrage eMail

 

  • Die Antwort besteht aus 104 Worten (die Tabelle wurde als Grafik eingebaut und zählt deswegen als ein Wort, nämlich der Link).
  • Ein ungeübter Leser würde für das Lesen ca. 62,4 Sekunden benötigen.
  • Ein geübter Leser würde zwischen 41,6 Sekunden und 25,0 Sekunden für das Lesen benötigen.

 

Analyse von Schriftbild, grammatischen Funktionen sowie Bedeutung (bottom up) – strukturiert und am Laufen gehalten durch (meine) individuelle Erwartungen und Erfahrungen (top down)

Text / was geschrieben wurde

Lese-Position

  1. Nett, wie ich das Unternehmen gegrüßt habe, so werde ich auch gegrüßt.

Sehr geehrter Herr Fründt,

B

  1. Moment. Dort steht: Email? Das ist doch das falsche Wort. Wissen die es nicht besser, haben die kein Korrektur-Programm, haben die nicht bei DUDEN.de nachgeschaut und gelesen, dass es E-Mail heißt?
  2. Wahrscheinlich schreiben die diesen Satz hundert Mal am Tag, vielleicht ist es ja auch ein Textbaustein. Was wäre gewesen, hätte ich da lesen können: vielen Dank für Ihre Nachfrage. Ich frage ja nach, oder?

vielen Dank für Ihre Email vom 30.06.2015.

S1

  1. Das ist ja wunderbar, denn ich lese meine Worte. Genau so habe ich das beschrieben.
  2. Hallo, da fehlt doch ein Komma. Ist vielleicht nicht so wichtig. Moment, warum ist das nicht so wichtig, ist das so ähnlich wie oben mit [Email]?
  3. Ich korrigiere einfach, hilft mir beim Verstehen, bin ich halt pingelig.
  4. Nun steht da ein zweiteiliger Satz, warum beginnt der nun mit einem Prädikat? Warum wird nicht mit der Konjunktion [wenn] darauf aufmerksam gemacht, dass es zunächst um die Bedingung für die im zweiten Teil folgende Aufforderung geht.
  5. Eine ökonomische Verteilung der Inhalte – jawohl, das ist eine Fragestellung in der Grammatik, nicht jedoch in der Computerlinguistik – hätte gleich mit dem zweiten Teil begonnen. Den ersten Teil hätte man quasi als Absicherung dann noch bringen können.

Blinkt der Hinweis „Hygiene“ (,)

(S2/1)

  1. Erstaunlich, eben wurde noch das Zitat „Hygiene“ als Lesehilfe in Anführungszeichen gesetzt, nun entfällt die Lese-Hilfe? Korrekt in der Rechtschreibung ist es so: das Programm „Maschine reinigen“.
  2. Der Inhalt, der in die Klammer gesetzt wird, warum wird er in die Klammer gesetzt und so als Nebensache ausgewiesen? Wäre es nicht kundenorientierter, die Nebensache an eine geeignetere Position zu bringen? Wie gesagt, grammatische Ökonomie.
  3. (Mein Änderungs-Vorschlag: starten Sie bitte – falls vorhanden – das Programm „Maschine reinigen“.)

starten Sie bitte das Programm Maschine reinigen (falls vorhanden).

(S2/2)

  1. Wie schon Satz Nr. 2 beginnt auch der Satz Nr. 3 mit dem ersten Teil des Prädikates [ist … vorhanden].

Ist das Programm nicht vorhanden (,)

(S3/1)

  1. Wie schon in Satz Nr. 2 folgt auch in Satz Nr. 3 eine Aufforderung, die ebenfalls nicht mit einem Komma von dem ersten Teil abgegrenzt wird. Irgendwie merkwürdig.
  2. Ein wenig blass ist die Sache mit dem [Programm]. Ein spezielles wie in Satz Nr. 2 ist scheinbar nicht gemeint.
  3. Gemeint sein könnte ein Programm  mit [60° C], gemeint sein könnte allerdings auch ein Programm mit einer Temperatur höher als [60° C], was das Verhältniswort / Präposition [über] nahelegen könnte.
  4. Der den Kunden vermutlich überraschende Sachverhalt [ohne Wäsche] wird in Klammern gesetzt, ist also eher nebensächlich.
  5. Was der Kunde befolgen sollte, wird ebenfalls mit einem Verhältniswort / Präposition angegeben: [mit dem Miele Maschinenreiniger], ergänzt werden muss, soll das Programm gestartet werden.
  6. Oje, Lesen und Verstehen ist ja richtig Arbeit, sonst wird das nichts mit dem Befolgen dieser Anweisung. Vielleicht sollte man das „Hygiene-Problem“, auch wenn es sich doch etwas bedrohlich anhört, auf die lange Bank schieben.
  7. Weiter!
  8. Ist der [Miele Maschinenreiniger] ein Sonderprogramm oder ein Behälter mit einer Flüssigkeit, auf der gut lesbar steht [Miele Maschinenreiniger]? Das mögliche Sonderprogramm wäre von dem Kunden ohne weiteres zu starten, aber ein flüssiger Reiniger?    

starten Sie bitte ein Programm über 60° C mit dem Miele Maschinenreiniger (ohne Wäsche).

(S3/2)

  1. In dem kopierten Ausschnitt liest man im Wesentlichen das bis hierher geschriebene.
  2. Im Wesentlichen, sagte ich. Dann aber gibt es doch Abweichungen.
  3. Erstens: in der Kopie fehlt der Hinweis auf [ohne Wäsche]. Ergänzt wird in der Kopie [ein pulverförmiges Universalwaschmittel] – ich wasche regelmäßig, aber dieser Begriff ist mir nicht präsent, auch wenn ich aufgrund meiner Welt-Erfahrung schon eine Vorstellung habe.
  4. Wunderbar zu sehen ist in der Kopie, dass es wirklich ein Titel ist [Maschine reinigen], deswegen die kursive Schreibweise.
  5. Zusammenfassend, der kopierte Ausschnitt, der keine Quellenangabe hat, bringt vielleicht neue Informationen, vielleicht auch nicht.  

[Tabelle ist als Bild in die Antwort eingefügt: Allerdings ergibt es keinen sinnvollen Zusammenhang zu der Antwort]

S4

  1. Wie bereits Satz Nr. 2 und Satz Nr. 3 beginnt auch der Satz Nr. 5 mit dem Prädikat, hier wird allerdings dem Leser eine Aufforderung angekündigt [bestellen können].
  2. Und dann wird da geschrieben [diese]. Es handelt sich um ein verweisendes Für-Wort (Demonstrativ-Pronomen). Es handelt sich um den 4. Fall (Akkusativ), das Geschlecht ist weiblich.
  3. Nun suchen wir also in dem Satz Nr. 3 nach einem Wort, auf das [diese] zeigt, und wir beginnen wie üblich am Ende des Satzes: zwar herabgesetzt in Klammern [Wäsche] = [diese Wäsche], grammatisch geht das, auf der Bedeutungsebene ist das Unsinn, denn der Kunde soll doch nicht Wäsche bestellen, um die Maschine zu reinigen.
  4. Der nächste Kandidat [Maschinenreiniger] = [diese Maschinenreiniger], grammatisch funktioniert das in dem Fall, wenn es sich um einen Arbeitstrupp von „Maschinenreiniger“ handelt, also in der Mehrzahl. Auf der Bedeutungsebene …
  5. Bleibt noch [Programm] = [*diese Programm] funktioniert grammatisch nicht.
  6. Fazit: Nur wer sich beim Lesen von seiner Erfahrung leiten lässt, wird eine sinnvolle Verbindung für [diese] herstellen.
  7. Was ist ein Ersatzteildienst? Wieder ist es Erfahrung, die das Ersatzteil und den Dienst als bedeutungstragende Worte erkennt, und eben nicht Ersatz und Teildienst.
  8. Nun, welche Bedeutung das nachgestellte [zur Verfügung] hat, man weiß es nicht und wird es großzügig überlesen. 

Bestellen können Sie diese bei Ihrem Fachhändler oder bei uns im Ersatzteildienst unter der kostenfreien Rufnummer 0800 22 44 666 zur Verfügung.

S5

  1. Bei dem Satz Nr. 6 handelt es sich grammatisch um ein Satz-Äquivalent, einen „Stummelsatz“, in dem das Subjekt weggefallen ist.
  2. Ausgerechnet das Subjekt soll aber tätig werden, wie mit dem Prädikat an erster Stelle [siehe] angewiesen wird. 

Siehe auch im Onlineshop unter http://www.shop.miele.de .

S6

  1. Der Anfang Satz Nr. 7, das Prädikat. Nun allerdings als Merkmal für eine Frage, wie das Satzzeichen angibt.
  2. Würde es fehlen, wie oben bereits die Kommata, könnte es wie oben der erste Teil einer Wenn-Dann-Konstruktion sein.

Haben Sie weitere Fragen?

S7

  1. Etwas unerwartet beginnt der Satz Nr. 8 mit dem Für-Wort / Pronomen [wir]. Das kann allerdings auch kalkuliert sein, da im Folgenden die Kundenorientierung zusammengefasst wird.
  2. Erstens, man „berät“, was faktisch und qualitativ etwas anderes ist als „antworten“ auf die in Satz 7 angedeuteten [Fragen].
  3. Zweitens, man hat Freude am Beraten, das bringt das Umstandswort / Adverb [gerne] auf den Punkt.
  4. Drittens, man bietet dem Kunden einen zweiten Kanal [auch telefonisch].

Wir beraten Sie gerne auch telefonisch.

S8

  1. Zum guten Ende der Antwort der Hinweis, wie man sich den telefonischen Kontakt vorstellt: nämlich [kostenfrei]. Schön.
  2. Und dann wird die Nummer angegeben, die in Satz Nr. 5 bereits für den Ersatzteildienst reserviert wurde.

Sie erreichen uns unter der kostenfreien Rufnummer 0800 22 44 666.

S9

  1. Ok.

Mit freundlichen Grüßen aus Gütersloh / i. A. W_Vorname Nachname

V

 

Prognose der Bewertung dieser Service-Antwort

Noch ist die Auswertung nicht abgeschlossen, dennoch diese Prognose

a)  Eingehen auf Fragen des Kunden:               auf gutem Weg

b)  Allgemeinverständlichkeit:                           auf gutem Weg

c)  Individuelles Eingehen auf den Kunden:       auf gutem Weg

d)  Ernstnehmen des Kunden:                           auf gutem Weg

e)  Charme, Freundlichkeit der Antwort:             funktioniert

     Kopfnote:                                                   Antwort stellt zufrieden, kein Vorbild

 

Zusammenfassung & Ausblick

Nein, das ContactCenter braucht keine Nachhilfe. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ContactCenter oder im Support brauchen eine Lese-Kompetenz, von mir aus mit der Ziffer 4.0 – wie die ausgerufene Industrie 4.0. Anders wird der Dynamik und Komplexität der Welt nicht zu begegnen sein.

Ja, eine gewisse Nachhilfe brauchen die Verantwortlichen, die Entscheider, die Controller. Nur im Labor funktioniert das Lesen „drei links, drei rechts“ und das in x sec. In der Praxis entscheidet letztendlich die individuelle Erfahrung (top-down).

Die Lese-Motivation und die Lese-Kompetenz ist der Schlüssel zum Erfolg im Service, Support und ContactCenter. Den Schlüssel können Sie formen! Durch einen „Lese-Leitfaden“. Noch intensiver funktioniert der Schlüssel, wenn die MitarbeiterInnen, die wirklichen Spezialisten für die „Beschwerde des Kunden“, diesen „Lese-Leitfaden“ selbst zusammenstellen und formulieren – und anpassen, wenn es sich die „Beschwerden“ ändern. Das verstehe ich unter Texterkennung Mensch.Null.

 

Literatur

Grammatik der deutschen Sprache / 3 Bd. Hrsg. G. Zifonun, L. Hoffmann, B. Strecker. Berlin 1997

Roth, Gerhard (2011): Bildung braucht Persönlichkeit. Wie Lernen gelingt.

Dijk, T. A. van (1980): Textwissenschaft

Fründt-Geers, G. (2014): E-Mail, Facebook & Co. – wie man schriftlich antworten sollte. Anregungen zum angemessen Einsatz der deutschen Sprache bei Service-Antworten.  DIHK-Verlag Berlin - NICHT ÜBER AMAZON BEZIEHBAR.

Fründt-Geers, G. (2012): Dieses leise Leiden in E-Mail / Facebook Service-Antworten. Analysen, Ergebnisse & Rezensionen. ISBN 978-3-00-039327-3 - NICHT ÜBER AMAZON BEZIEHBAR.

Fründt, G. (2011): Ergebnisse 2011 – Preis der E-Mail-Antwort … plus linguistische Analysen der E-Mail-Antworten von KNORR, OTTO, IKEA und sechs weiteren Kandidaten. ISBN 978-3-00-036491-4  - NICHT ÜBER AMAZON BEZIEHBAR.

 

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